Liebhaberinnen Elfriede Jelinek


Elfriede Jelinek ist mit dem Werk „Die Liebhaberinnen“ ein Meisterwerk gelungen. Dieses Buch ist geprägt von Kritik, das Aufzeigen von Lebenssituationen von Frauen die auf dem Land leben und den Stellenwert die diese jungen Frauen in der Gesellschaft haben. Sie sind reduziert auf Mutterschaft, sie sollen und müssen Männer beglücken. Ihre Arbeit wird schlechtbezahlt und ist monoton. „Frau-Sein“ mit seinen minderwertigen Attributen zeigt Jelinek auf.

Die Hauptfiguren sind Brigitte und Paula, beide stammen aus einfachen Verhältnissen. Die jungen Frauen arbeiten in einer Fabrik in der Steiermark. Brigitte schafft den sozialen Aufstieg indem sie einen Facharbeiter heiratet. Ihre Zukunft erscheint für sie als Hausfrau besser zu sein, als weiterhin in der Fabrik zu arbeiten. Die Verinnerlichung des Realitätsprinzips nimmt ihr alle Träume. Heinz ihr Ehemann befriedigt weder ihr Sexualverlangen, noch gibt er ihr das Gefühl eine liebenswerte Frau zu sein.

Paula verliebt sich in einen Waldarbeiter, durch seine schwere körperliche Tätigkeit und seinem Alkoholmissbrauch, richtet er sich selbst zu Grunde. Sein gutes Aussehen reicht ihr um ihn zu vergöttern. Nach ihrer Schwangerschaft beginnt sie sich heimlich zu prostituieren, ihr Mann entdeckt aber ihr Doppelleben und verlässt sie. Paula endet wieder als Näherin in der Fabrik.

Die Kritik der Autorin gilt einerseits der von Männern dominierten Gesellschaft, andererseits der Klassengesellschaft. Ihre kommunistische Gesinnung lässt sie gegen die Klassengesellschaft, welche in Österreich nach wie vor existiert, aufschreien. Die private Unterdrückung von Frauen ist in vielen ihrer Romane das Hauptthema. Männer stellt sie als brutale, charakterlich niedrige Individuen dar. Ihre Darstellerinnen wehren sich nicht, sie nehmen ihre Unterdrückung an, sie sehen sich als wehrlose Opfer. Sie halten sich an gesellschaftliche Regeln und orientieren sich nach ihren Müttern, die sich auch nie zur Wehr setzten.

Dessous sind für diese Fabriksarbeiterinnen Arbeit, die Liebe ist auch Arbeit für sie. Liebe, Ehe, Partnerschaft wird als Selbstzweck und nicht als Bereicherung gesehen. Prostitution ist eine Flucht aus der misslichen Lage, die Selbstbestrafung, die sie verdient hat. Selbstliebe ist in ihrem Sprachgebrauch nicht real. Wo Erotik sein könnte, wird Kleinbürgerlichkeit gelebt. Kein Aufatmen, kein Aufschrei, kein „Nein“ ist vernehmbar. Das Selbstvertrauen wird zunehmend genommen, sie sollen sich selbst nicht mehr trauen, sie sollen nur mehr anderen trauen.

Vogelfreie Frauen, die gegen Normen verstoßen werden verjagt, gejagt und sie haben keine Chancen mehr.

Brigitte setzt ihre Sexualität als Waffe ein, sie richtet sich mit dieser Waffe selbst. Der Geschlechtsakt wird als Fast-Vergewaltung aufgezeigt.

Frauen werden in ihrem eigenen Haus misshandelt, das Dorf schweigt. Schweigen des Frieden Willens. Dieses Schweigen lässt die Autorin aufschreien. Seht her! Seht nicht weg!

Hassgefühle werden zugelassen, hassende Ehemänner und Ehefrauen, die Hass und Obsession zu ihrem Lebensmaxime machen.

Liebe ist materialistisch, oberflächlich, gierig und egoistisch. Das Individuum ist nicht wichtig. Bedürfnisse, der Einzelnen werden nicht behandelt.

Sprache:

Die Schriftstellerin verwendet in diesem Werk die Umgangssprache. Sie ignoriert die Groß- und Kleinschreibung. Möglicherweise möchte sie ihre LeserInnen antreiben, ihre Texte genauer zu lesen, oder sie stellt sich gegen das Schreiben nach Regeln. Alle Wörter sind gleichberechtigt, kein Hauptwort steht über einem Zeitwort, einem Adjektiv oder Adverb. Beim Lesen entsteht eine gewollte Monotonie, damit zeigt sie das Alltagsleben dar, dieses „ewig Gleiche“, die Abwechslung fehlt. Lebensfreude, Lebensdrang, Lebenswille, Lebensdarstellung, Lebenshunger sind nicht existent. Worte, Gedanken, Handlungen werden wiederholt, sie sind Teil eines Lebens, Teil dieses Buches und unsere Empathie wird gefordert. Jelineks Worte sind listig, treffend und vernichtend.

Jelineks Schreibstil ist sarkastisch und chili-scharf. Die Ironie ist ihre weitere Begleiterin, und sie bewertet diese Fabriksarbeiterinnen aus einer kalten, weiten Distanz. Scheinbar spielt sie mit ihren Figuren, sie ist die Puppenmacherin, die Marionettenspielerin, sie herrscht über ihre Puppen, sie macht sie zu Puppen. Naive Frauen werden zu Puppen ihrer Männer. Sie wollen und können keine selbständigen, selbstdenkende und selbsthandelnde Menschen sein. Unglück wird angedeutet, bis es endlich eintrifft. Menschen sprechen miteinander ohne dass sie sich etwas sagen.

Der Rhytmus wird durch die ständigen Wiederholungen geprägt. Die Sprache ist derb, vereinfacht und passiv. Frauen werden geheiratet. Frauen sind Gebrauchsobjekte.

Erzählform:

Die Erzählerin ist eine Außenstehende, diese Frauen interessieren sie scheinbar nicht. Diese Distanz ist gewollt. Hochzeiten werden mit dem Tod gleichgestellt. Leinentücher werden zu Leichentüchern. Arbeit ist Krankheit, Liebe ist Hoffnungslosigkeit. Sie entlarvt sich als allwissende Erzählerin, Vorschau setzt Jelinek als Stilmittel ein.

Conclusio:

Jelinek schreibt über Alltagsgeschichten, für dieses Aufzeigen wird sie in manchen Kreisen gehasst. Fühlen sich diese Menschen von ihr ertappt? Ertragen sie nicht ihr Spiegelbild in einem Buch vorzufinden. Sind sie gegen Kleinbürgertum, da sie selbst kleinbürgerlich leben? Freude und schöne Worte sind nicht Spielobjekte dieser Schriftstellerin, sie zeigt auf, zeigt an und ihre Spiegelbilder sind treffend.

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